Der französische Organist Olivier Latry zählt seit Jahrzehnten weltweit zu den prominentesten und profiliertesten Protagonisten der Orgelszene. Erst vor wenigen Wochen hatten viele Zuhörerinnen und Zuhörer sowie junge Kursteilnehmende die Gelegenheit, ihn als Solist und Dozent während der „1. Internationalen Orgelwoche im Erzbistum Paderborn“ in unseren Breiten zu erleben. Wer ihn hört oder mit ihm spricht, begegnet stets einem wachen, zugänglichen und heiteren Menschen, der mit großer Freude sowie phänomenaler Konzentrationsfähigkeit und unbändiger Energie ausgestattet ist.
Im Dialog mit dem Musikjournalisten Stéphane Friédérich entstand das Buch „An der Orgel von Notre-Dame“, in dem der bereits mit 22 Jahren an die Pariser Kathedrale berufene Latry interessante Gedanken, Geschichten, Ansichten und Einsichten im persönlichen Gespräch preisgibt. Dass es weder im Anekdotischen noch im Duktus des Akademischen mäandert, ist sicher ein qualitatives Kennzeichen dieses Buches. Vielmehr gewährt Latry tiefe Einblicke in sein Leben, Denken, Wirken und seinen Glauben. Gerade der letzte Aspekt mag überraschend sein, wird Latry doch fast ausschließlich über seine große Konzertpräsenz wahrgenommen.
Seine „Bekenntnisse“ umfassen daher auch oft Gedanken zur Musik im Gottesdienst, die eine sehr persönliche Note beisteuern. Darüber hinaus geht es natürlich viel um Musik im Allgemeinen und die Orgel im Besonderen – im Fokus ist dabei das titelgebende Instrument der Pariser Kathedrale – um Orgelbau, um Ideologien, Prägungen, Stile, Interpretationen. Ein gelungenes, persönliches, sympathisches und bereicherndes Profil eines Orgelvirtuosen, das nicht nur bei den Fotos schöne und teils überraschende Momentaufnahmen bietet.
Johannes Krutmann