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Klangraum Kirche
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17.04.2025
Paderborn
Blickpunkt

Bericht zum Symposium „Neue Musik im Raum der Kirche heute“

Kirchenmusiker:innen und Künstler:innen trafen sich zu einem Austausch und gegenseitiger Inspiration über Musik und Kunst im Kirchenraum

Zum zweiten Mal trafen sich Kirchenmusiker:innen und Künstler:innen zu einem Austausch und gegenseitiger Inspiration über Musik und Kunst im Kirchenraum. In diesem Jahr lag ein größerer Fokus auf dem künstlerischen Erleben in Form von drei Konzerten, die über den ersten Tag verteilt waren. Eindrucksvoll zeigte sich die Bandbreite anspruchsvoller Kompositionen in unterschiedlichen Konstellationen: Von den intimen Stücken für Orgelportativ von Michael Schultheis über die Kombination von zwitschernder Live-Elektronik und Orgel von Tobias Hagedorn bis zu dem Stück Innen:Außen für Sopran und Orgel von Sarah Proske mit wirbelnden Clustern und innigen Momenten spannte sich bereits im ersten Konzert ein gewaltiger Bogen.

Annie Bloch und Emily Wittbrodt führten im zweiten Konzert dann ihr Mendelssohn-Project für Orgel und Cello auf. Präludium und Fuge in c-Moll von Mendelssohn dienten hier als Spielmaterial für eine ausufernde Klangbearbeitung. Eindrucksvoll war hier vor allem, wie sich die Musik von tonalen, geloopten Motiven Mendelssohns nahtlos immer weiter abstrahierte, atonaler und geräuschhafter wurde und dann wieder zurückfand. Eine mal tranceartige, mal beinahe extatische Erfahrung mit einer enormen klanglichen Bandbreite.

Im dritten Konzert schließlich wurde die Orgel verlassen und stattdessen Musik für Solo- bis Triobesetzungen mit Flöte, Violine und (Bass-)Klarinette präsentiert. Kompositionen von Scelsi, Sciarino, Lucier und Dominik Susteck füllten den Kirchenraum der Kapuzinerkirche mit flirrenden, klopfenden, huschenden und hauchenden Klängen – vieles in sehr leisen Klangbereichen, von der Akustik der Kirche dankbar getragen.

Insbesondere zeigten die aufgeführten Werke, welche Kraft, welche Sogwirkung und spirituelle Mystik eine zeitgenössische Musik in der Kirche entfalten kann, die sich nicht selbst als bloße Gebrauchsmusik versteht und sogar ohne jedes theologische „Programm“ auskommen kann. Eine pauschale Trennung in Kirchenmusik und Nicht-Kirchenmusik erschien angesichts der gespielten Stücke wie eine allzu kleinliche Betrachtungsweise und ungehörige Vereinnahmung von Musik als Kunstform.

Begleitet wurden die Konzerte von einer eindrucksvollen Skulptureninstallation („Dust“) des Künstlers Paul Pape. Zahlreiche großformative Tafeln mit abstrakten Reliefs waren auf mehreren drehbaren Stativen im Altarraum angebracht und wurden durch eine elektronische Steuerung während der Musikstücke bewegt, wodurch sich eine neue dramaturgische Ebene eröffnete.

Dazu gab es diesmal drei Vorträge: DKM Tobias Leschke berichtete aus seiner Dissertation über Jean Guillou. Er stellte Orgeln und Dispositionen vor und zeigte daran die Tendenz Guillous zur Auflösung des Werkprinzips, die er schon frühzeitig im 20. Jahrhundert wegweisend anstrebte bis hin zu seiner Vision einer achtmodularen Auditoriumsorgel auf Teneriffa, die dort seit 2005 realisiert ist.

Michael Schultheis präsentierte Inhalte und Ergebnisse der seit drei Jahren angebotenen Onlinefortbildung „Kirchliche Komposition“, bei der die Teilnehmenden im vergangenen Jahr Werke für Orgel und Klangobjekt geschrieben haben. Diese werden im Mai in Hagen aufgeführt. Die mitgebrachten Ausschnitte aus den Inhalten der Fortbildung zeigten facettenreiche Hilfestellungen und Möglichkeiten der systematischen Herangehensweise an den Kompositionsprozess. Im Blick stand dabei immer das Ziel, in überschaubarer Zeit die Teilnehmenden zu befähigen, eine originelle, an Klangmodellen des 20. und 21. Jahrhunderts orientierte Komposition zu projektieren und auszuführen.

Zuletzt berichtete Jörg Stephan Vogel ausführlich von den Arbeiten rund um die Einrichtung einer modernen Übe- und Unterrichtsorgel als „Klanglabor“ in der Essener Kirchenmusikschule (BKMS). Seine große Begeisterung im Gespräch vermittelte ein Gefühl für die motivierende Aufbruchsstimmung, in der sich die Studierenden austoben können. Die Orgel, im Kern eine kleine Schuke-Hausorgel, wurde um einige bauliche Besonderheiten ergänzt: eine Winddrossel, Register auf Tonkanzellenlade, regelbare Tremulanten und vor allem die Integration einer MIDI-Schnittstelle. Über diese kann z.B. auf einem Manual ein E-Piano-Sound über einen integrierten Roland-Synthesizer abgerufen werden. Die Orgel soll also neben klassischer Literatur explizit für Neue Musik und Geistliche Popularmusik aufgestellt sein. Immer wieder betonte Vogel im Vortrag die Selbstverständlichkeit, mit der Gegenwartsmusik Teil der Ausbildung sein müsse. Seine erfrischend undogmatische Art, alles ohne Berührungsängste zu ermöglichen und dennoch einen künstlerisch kritischen Blick zu behalten, könnte ein gelingender Weg in die Zukunft sein.

Abgeschlossen wurde das Symposium am zweiten Tag durch eine videochoreografierte Chorimprovisation mit den Teilnehmenden von Tobias Hagedorn.

 

Michael Schultheis

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