topnav-arrow
logocontainer-upper
Klangraum Kirche
logocontainer-lower
© Dominik Susteck
Mitwirkende

Kompositionsaufträge elektronischer Musik

Kirchen sind nicht nur architektonisch bedeutende Räume, sie sind Begegnungs- und Kultstätten, Sozialräume, Andersräume und eben auch Klangräume. Das Erzbistum Paderborn vergibt für diese besonderen Räume Kompositionsaufträge für elektronische Musik.

blau - experimentelle musik im kirchenraum

Samstag, 2. September 2023, Paderborn

 

14 Uhr bis 21 Uhr Bartholomäuskapelle: Klanginstallation von Florian Hartlieb
16 Uhr Kapuzinerkirche: Orgel und Elektronik
19 Uhr Marktkirche: Elektronische Musik
21 Uhr Kapuzinerkirche: Elektronische Musik


Eintritt frei

 

Das Erzbistum Paderborn vergibt für besondere Räume Kompositionsaufträge für elektronische Musik. Die Uraufführung erfolgt am Samstag, dem 02.09.2023 in drei Paderborner Innenstadtkirchen, der Marktkirche, der Kapuzinerkirche und der Bartholomäuskapelle. 

Kirchen sind nicht nur architektonisch bedeutende Räume, sie sind Begegnungs- und Kultstätten, Sozialräume, Andersräume und eben auch Klangräume. Diese verwandeln die Räume in Klang. In freier Gestaltung eröffnen die Komponistinnen und Komponisten eine jeweils individuelle Perspektive im Dialog mit dem Kirchenraum. Zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler inspirieren und konfrontieren die Besucher mit existentiellen Fragestellungen, Klängen und Geräuschen. So werden die Kirchen in neue Klangräume verwandelt. 

Die Komponistinnen und Komponisten lassen sich von vielfältigen außermusikalischen und musikalischen Geräuschen und Klängen anregen. So porträtiert Christina Kubisch mehrere Paderquellen, die sie extra für dieses Stück an unterschiedlichen Orten in Paderborn aufgenommen hat. Ulf Pleines zitiert Maschinengeräusche, Wasser und Wind und kritisiert die aktuelle Flüchtlingspolitik. Christoph Ogiermann verarbeitete das Minsker Attentat 2011 in seiner Musik. Ralf Hoyer und Matthias Krüger stellen die Sprache und ihre Laute in den Mittelpunkt der Kompositionen, als Entwicklung von Kommunikation und Selbstfindung. Tobias Tobit Hagedorn und Florian Zwissler arbeiten abstrakt mit synthetischen Klängen. Glocken und glockenähnliche Musik schreiben Oxana Omelchuk und Dorothee Hahne. Nikolaus Heyduck spielt mit seinem Titel an Planetenmusik an, ebenso Florian Hartlieb, der eine mehrstündige Klanginstallation beisteuert.

Dominik Susteck

16 Uhr Kapuzinerkirche: Orgel und Elektronik

Matthias Krüger (*1987) – Contemp[s]lations (2010) [hören]
Tobias Tobit Hagedorn (*1987) – Weitergehen (2019)
Katrin Klose (*1990) – Voix céleste (2021) [hören]

 

Dominik Susteck, Orgel

19 Uhr Marktkirche: Elektronische Musik

Florian Zwissler (*1976) – Ebenschwung (2023)
Christoph Ogiermann (*1967) – Practices of Subordination (2023)
Matthias Krüger (*1987) – mens et manus (2023) [hören]
Ralf Hoyer (*1950) – INVOCATIO (2023)
Ulf Pleines (*1969) – T Weird (2023) [hören]



21 Uhr Kapuzinerkirche: Elektronische Musik

Oxana Omelchuk (*1975) – Vermona in my life (2023)
Tobias T. Hagedorn (*1987) – Hikari (2023) [hören]
Dorothee Hahne (*1966) – Tintinabula (2023)
Nikolaus Heyduck (*1957) – Symetriade (2023)
Christina Kubisch (*1948) – B O R N (2023)



Hikari (2023)

 

Hikari ist nach dem gleichnamigen Synthesizer-Hersteller aus Japan benannt. Elektronische Musikinstrumente sind nicht so genormt, wie es bei akustischen Musikinstrumenten mit hundertjähriger Geschichte der Fall ist. Der Synthesizer „Monos“ von Hikari Instruments gibt mit seinen Möglichkeiten und Nicht-Möglichkeiten schon ein stark definiertes kompositorisches Grundmaterial vor. Eine stark vereinfachte Beschreibung wäre es zu sagen, dass sich der Synthesizer auf spezieller Weise zwischen Chaos und Ordnung bewegt. Gleichmäßige Pulse wechseln gelegentlich auf andere Tonhöhen. Beschleunigt man die Pulse, verwandelt sich der Rhythmus in eine geräuschhafte Klangfarbe. Inspiriert von diesem Synthesizer wurde dieses Prinzip auch digital nachprogrammiert und mit originalen Klängen des Synthesizers ergänzt. Im Kompositionsprozess wurden improvisierte Passagen mit algorithmisch ausgearbeiteten Rhythmen ineinander verschränkt. Dadurch ergibt sich eine Musik, die sich zwischen subjektiven und algorithmisch generierten Entscheidungen bewegt.

Tobias Hagedorn (*1987 in Moers) studierte Kirchenmusik und Elektronische Komposition an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln und Komposition an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main. Er war Stipendiat der Mozartstiftung sowie Preisträger des „ad libitum Kompositionswettbewerb“ vom Netzwerk Neue Musik Baden-Württemberg und Preisträger beim internationalen Kompositionswettbewerb für Orgel und Tonband in Dudelange. 2022 erhält er durch die Bundesregierung einen sechsmonatigen Stipendienaufenthalt in der „Cité Internationale des Arts in Paris“. Seine Musik wurde bereits im Deutschlandfunk und im WDR ausgestrahlt. Hagedorn unterrichtet an der HfMDK Frankfurt am Main, am Dr. Hoch’s Konservatorium und an der HfM Trossingen. Als nebenamtlicher Organist an der Kirche Herz Jesu in Frankfurt-Oberrad veranstaltet er die Konzertreihe mit zeitgenössischer Musik „HörBar“. Seine Musik bewegt sich zwischen Komposition und Programmierung digital beschreibbarer Prozesse. Er arbeitet dabei mit der Programmierumgebung „Pure Data“.

Tintinabula (2023)

 

(lat. Glocken, Klingeln, Läutwerk)

 

Eine Klang- und Bewegungsstudie für die Klänge von 5 als Glocken verwendeten Blindgängerbomben.

Dauer: 10 Minuten

 

Glocken – eingeschmolzen für Kanonen. Und Geschütze, die zu Glocken wurden. Schon im Mittelalter wurden in Kriegszeiten Glocken eingeschmolzen, um aus dem Metall Geschütze herzustellen. Es wird auch berichtet, dass in Friedenszeiten aus dem eingeschmolzenen Metall der Geschütze Glocken gegossen wurden.

Die Blindgänger aus dem 2. Weltkrieg, die hier als Glocken erklingen, wurden vom Kampfmittelräumdienst entschärft und zur Entleerung zersägt. Übrig blieben rostige Stahlhülsen, die wie reine als auch dissonante Glocken erklingen und in Studioaufnahmen digitalisiert wurden. Die Stahlhülsen haben eine Wandstärke von ca. 1 cm. Die Größe der Blindgänger reicht von ca. 80 m Länge und 40 cm Durchmesser bis zur kleinsten Variante von ca. 40 cm Länge. Das Leergewicht beträgt bei der größten Variante über 170 kg. Unvorstellbar, dass solche Dinge in Zeiten, die sich nie wiederholen sollten, „vom Himmel fielen“.

Die Glockenklänge der Blindgänger und ihre elektronischen Bearbeitungen treffen sich klanglich und räumlich in einem Klangraum, der von vier Lautsprechern beschallt wird. Ihre Schwingungen und Proportionen treffen aufeinander, verweben und bewegen sich miteinander und erfüllen den Raum.

 

Dorothée Hahne wurde 1966 in Bonn geboren und studierte an den Staatlichen Hochschulen für Musik Köln und Düsseldorf Trompete. Während des Studiums begann sie autodidaktisch zu komponieren. Neben zahlreichen Performances und Konzerten in Museen, Galerien und Kunstvereinen entstanden zahlreiche instrumentale und elektronische Auftragskompositionen, Filmmusiken, Lyrikvertonungen, Theater-, Tanztheater-, Hörspiel- und Konzertprojekte.

 

Ein Merkmal ihrer Kompositionen ist der Verzicht auf jedwede Art von Klangsynthese. Die Verwendung elektronischer Mittel dient primär der Repetition und Variation von „natürlich“ erzeugten Klängen. Inhaltlich spiegeln ihre späteren Kompositionen schwerpunktmäßig die Auseinandersetzung mit Deutscher und Europäischer Geschichte; sowie dem seelischen Erleben wieder.



Gany Chapel 

Klanginstallation in der Bartholomäuskapelle Paderborn

Für: transformatives Raumklanginstrument, 4 Lautsprecher, elektroakustische Zuspielung und sämtliche Klänge, die während der Installation im Raum entstehen.

Entstehungsjahr: 2023

 

Am 7.6.2021 zeichnete die NASA Raumsonde „Juno“ Radioemissionen auf, als sie den Jupitermond Ganymed umflog. Diese Aufzeichnungen dienen als Quellmaterial für eine elektroakustische Miniatur, die in einer permanenten Wiederholung in der Bartholomäuskapelle abgespielt wird. 

Die Kapelle wird in der Installation Gany Chapel selbst zum Instrument. Dafür wird in ein vom Komponisten entwickeltes Raumklanginstrument in der Kapelle installiert, welches auf transformativen Feedbackschleifen basiert. 

Mit jedem neuen Durchgang der Miniatur ändern sich die Parameter des Raumklanginstruments, so dass ständig neue akustische Bezüge zwischen dem Raum und dem abgespielten Klangmaterial entstehen. Auf diese Weise entwickelt sich ein sich ständig verwandelnder Dialog zwischen dem sakralen Raum der Kapelle und den Klängen des Weltalls – also gewissermaßen solchen Klängen, die aus dem Himmel kommen.  

Sounds Ganymede Credits: NASA/JPL-Caltech/SwRI/Univ of Iowa

 

Florian Hartlieb (*1982) ist Komponist und Pädagoge. Er studierte Elektronische Komposition an der Folkwang Universität der Künste in Essen und an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien.

Hartliebs Werke wurden mit verschiedenen internationalen Kompositions-Preisen ausgezeichnet und weltweit aufgeführt, auf Festivals und Konferenzen wie dem Burning Man Festival, InSonic (ZKM Karlsruhe), Festival Agitato (Sofia), Sweet Thunder Music Festival (San Francisco), Linux Audio Conference (ZKM Karlsruhe), Csound Conference (Stanford University), International Computer Music Conference (Huddersfield), Tsonami (Buenos Aires), EMU Festival (Rom), Musicacoustica Beijing (Peking) und vielen mehr. 

Hartlieb lebt und arbeitet in Bochum.



Symetriade

Elektroakustische Musik für vier Lautsprecher

Dauer: 10 Minuten

Entstehungsjahr: 2023

 

In Heyducks Archiv befindet sich eine große Anzahl von Aufnahmen, die im Laufe der Jahre bei Improvisationen mit selbstgebauten elektronischen Instrumenten entstanden sind, sowie mit dem digitalen Audioprozessor “AUDIOS”, einer Entwicklung von Klaus Fischer, Darmstadt.

 

Eine Auswahl aus diesem Materialfundus wird zunächst zu einem fließenden Ablauf zusammengefügt, bei dem sich kontinuierliche und punktuelle Klangereignisse überlagern. Die zeitliche Gliederung ergibt sich aus der vorgegebenen Gesamtlänge von 10 Minuten und deren Unterteilung in 1+2+3+4 Minuten.

Ein Aspekt von Symetrie ergibt sich daraus, dass parallel zum geschilderten Ablauf eine rückwärts abgespielte Version hinzugefügt wird. In einem weiteren Arbeitsschritt erfolgt die Zerlegung jeder Spur in zwei Gruppen von Frequenzbändern, tief und hoch, die im zeitlichen Verlauf unterschiedlich betont werden.

 

Der Titel ist Stanislaw Lems Roman „Solaris“ entlehnt. Dort wird ein Planet geschildert, der von einem besonderen „Ozean“ bedeckt ist. Diesem selbst scheint eine Form von Intelligenz eigen zu sein. Doch während er die Fähigkeit besitzt, Erinnerungen der Forscher Gestalt zu verleihen, scheitern all ihre Versuche der Kommunikation. An der Oberfläche des Ozeans entstehen und vergehen von Zeit zu Zeit inselartige Gebilde, die die Forscher mit Namen wie „Mimoid“, „Symetriade“ und anderen zu kategorisieren versuchen. Zwei Sonnen – die eine rot, die andere blau – tauchen den Planet und seine Hervorbringungen in wechselndes Mischlicht.

 

Nikolaus Heyduck, 1957 in Kassel geboren, ist bildender Künstler, Musiker und Komponist. 

Von 1979 bis 1985 studierte er an der Städelschule Frankfurt am Main, im Hauptfach Film bei Peter Kubelka, Fotografie bei Herbert Schwöbel, sowie bei Thomas Bayrle, Bernhard Jäger, Hermann Nitsch und anderen.

Ab 1980 besuchte er regelmäßig die Internationalen Ferienkurse für Neue Musik in Darmstadt. Zunächst war er dort im Technikteam tätig. Später belegte er Kurse bei Johannes Fritsch und Klarenz Barlow. Ein vertiefendes Studium der Komposition erfolgte von 1990 bis 1995 bei Toni Völker an der Akademie für Tonkunst Darmstadt. Neben freien Kompositionen und Klanginstallationen entstehen Arbeiten für Theater, Tanz und Fernsehen. 

Stipendien erhielt Heyduck von der Frankfurter Künstlerhilfe (1989), dem Internationalen Musikinstitut Darmstadt (1994 und 1996), dem Land Hessen (1996/97), der Hessischen Kulturstiftung (2020) und der GEMA (2021), Atelierstipendien von Wacker-Kunst, Mühltal (2000) und von der Association of Icelandic Visual Artists (SIM), Reykjavik (2007). Seit 2006 unterstützt ihn der Verein Ziegelhütte e.V. mit einem Atelier im Künstlerhaus Ziegelhütte, Darmstadt. 2018 wurde ihm der Darmstädter Musikpreis verliehen.



INVOCATIO

elektroakustische Komposition für vier Kanäle (2023 / Uraufführung)

ZEIT KENNT NUR EINE RICHTUNG AB JETZT IN DIE ZUKUNFT doch die ist ungewiß wer dachte nicht schon einmal ICH MÖCHTE GERN DIE ZEIT ANHALTEN weil es gerade so schön ist oder damit es nicht noch schlimmer kommt oder in verzweiflung ICH WÜRDE GERN DIE ZEIT ZURÜCKDREHEN HÄTTE ICH NUR FRÜHER GEWUSST DASS…

 

hci
hci muraw
hcilrednäbanu
hcilhcsölsuanu
hcilhcerpssuanu
hcilfiergebnu
hcilgnirdhcrudnu
rabnnirtnenu
hcilgärtrenu
tmmehegnu
hcilreuehegnu
tztühcsegnu
tfartsegnu
tnhüsegnu
hcilgäsnu
rabgartnu
hcilgnägmunu
rabrhekmunu
hcilrednärevnu
rablletsrovnu
hcildnätsrevnu
rabdluhcstnenu
ttog ho

 

Ralf Hoyer geboren 1950 in Berlin. Tonmeisterstudium an der Hochschule für Musik “Hanns Eisler“ Berlin, 1975-1978 Tonregisseur im VEB Deutsch Schallplatten. 1977-1980 Meisterschüler für Komposition an der Akademie der Künste der DDR bei Ruth Zechlin und Georg Katzer, seitdem freischaffend. Kompositionen für kammermusikalische Besetzungen, Chor, Orchester, Kammeroper und elektroakustische Musik. Auftragsarbeiten für Hörspiel, Theater und Film, Projekte auf dem Gebiet der Klangkunst. Verschiedene Preise, Arbeitsaufenthalte und Stipendien, darunter das Rom-Stipendium der Bundesregierung für die Casa Baldi 2015. 

CD residual_risk / selected electroacoustic compositions 2010-2020 / NEOS 12205

www.ralfhoyer.de



B O R N 

vierkanalige Komposition (2023)

 

Die Paderquellen – es sind über 200 einzelne Quellen –  gehören zu dem stärkstem Quellgebiet in Deutschland.  Quellen gelten als heilige Orte, waren wichtige Standorte für Mühlen und Brauereien und  sind wertvolle Trinkwasserressourcen.  Heute sind die Paderquellen vor allem ein Erholungsgebiet für das Auge, während die Quellklänge im Verborgenen bleiben.   

Vor 25 Jahren hatte ich die Chance, anlässlich einer Klanginstallation in Paderborn die Paderquellen in der Kaiserpfalz akustisch aufnehmen zu können. In diesem Jahr, jetzt mit Hydrophonen und zeitgemässer Aufnahmetechnik, habe ich zwei Tage lang die unterirdischen und überirdischen  Quellen der Stadt  erneut erforscht und aufgezeichnet. Die Quellen im Keller der Kaiserpfalz waren verstummt.

Die akustischen und hydrophonen Aufnahmen bilden das Ausgangsmaterial von  B O R N. Für mich sind die Paderquellen ein Füllhorn von magischen Klängen, die sich ständig verändern, variieren und erneuern. Man taucht ein in eine geheimnisvolle  Unterwasserwelt, deren Klangmaterial sowohl unbearbeitet bleibt  als auch elektronisch verfremdet  wird. Es entstehen unterschiedliche Klangräume,die zurück zu den Ursprüngen der Quellen führen.

 

Tonaufnahmen: Christina Kubisch, Eckehard Güther

Klangbearbeitung, Mischung : Eckehard Güther

zusätzliche elektronische Bearbeitung: Tom Thiel

 

Dank an das Erzbischöfliche Generalvikariat für die Unterstützung bei den Tonaufnahmen.

 

Christina Kubisch, geboren 1948 in Bremen, gehört zur ersten Generation der Klangkünstler. Nach Studienaufenthalten  in Deutschland, der Schweiz  und Italien sowie Gastprofessuren u.a. in  Holland und Frankreich lebte sie bis 1987 in Mailand. Als ausgebildete Flötistin und Komponistin  trat sie  schon früh mit Projekten im Schnittfeld von Bildender Kunst, Medien und Musik in Erscheinung. In den 70er Jahren waren es vor allem genderkritische Video-Performances, gefolgt seit Beginn der 80er Jahre  von  raumbezogenen Klanginstallationen  mit magnetischer Induktion und anderen meist selbstentwickelten audiovisuellen Mitteln. Mitte  der  80er Jahre begann die Künstlerin auch Licht in ihre Arbeiten mit einzubeziehen. Es entstanden großformatige Installationen, die  visuelle und akustische Elemente zu einer neuen Einheit verbinden.  2003 begann sie die Serie der Electrical Walks, Klangspaziergänge im öffentlichen Raum, wobei  sie das Publikum mit speziellen elektromagnetischen Kopfhörern zu einer bisher unbekannten Art  der Wahrnehmung der Alltagswelt einlädt.

Christina Kubisch lehrte von 1994 bis 2013 als Professorin an der Hochschule der Bildenden Künste Saar in Saarbrücken, wo sie den Fachbereich „Klangkunst“ gründete. Seit 1997 ist sie Mitglied der Sektion Musik der  Akademie der Künste Berlin. Ihre Installationen, Kompositionen  und audio-visuellen Arbeiten werden weltweit  auf internationalen Festivals  realisiert und in Museen und Galerien gezeigt. Für Ihre Arbeiten erhielt sie zahlreiche Preise und Stipendien, zuletzt den Preis der Musik- Biennale von Venedig 2021 für die beste Uraufführung und den Giga-Hertz Preis 2021 vom ZKM für ihr Lebenswerk. Christina Kubisch lebt und arbeitet in Berlin.

 

www.christinakubisch.de

www.electricalwalks.org



mens et manus. Für Vierkanal-Audio.

 

„Und doch hat die Natur vor allem um der Sprache willen unserem Körper Hände beigegeben. Hätte der Mensch keine Hände, so wäre sein Gesicht wie das der Vierfüßer geformt, damit er sich ernähren kann. (…) Wenn der Körper keine Hände besäße, wie sollte sich da in ihm eine artikulierte Stimme bilden? Die Konstitution der um den Mund gelegenen Partien entspräche dann nicht den Erfordernissen der Sprache. In diesem Fall müsste der Mensch blöken, Schreie ausstoßen, bellen, wiehern, wie die Rinder oder Esel schreien oder brüllen wie die wilden Tiere.“

 

(Gregor von Nyssa, Sermones de creatione hominis, 379 n. Chr.)

 

Matthias Krüger (*1987) studierte Komposition sowie Romanistik in Köln, Paris (Sorbonne, IRCAM) und New York (Columbia University). Derzeit promoviert er an der HfMT Hamburg. Zu seinen Kompositionslehrern zählt u.a. J. Schöllhorn, K. Meyer und F. Lévy.

 

Er wurde zahlreich ausgezeichnet, darunter beim Mendelssohn-Wettbewerb 2013 Berlin, mit dem Zimmermann-Stipendium Köln 2015 oder mit dem Prix Chevillion-Bonnaud 2016 in Orléans sowie mit einem Stipendium der Akademie Musiktheater heute der Deutsche Bank-Stiftung (2019-2022). Daneben war er 2018 für den Gaudeamus Award, den Busoni-Kompositionspreis 2021 Berlin sowie mehrfach für den Förderpreis für junge Künstler NRW nominiert. Hinzu kommen Residencies u.a. in Istanbul, Neuseeland sowie der Cité Internationale des Arts in Paris. Das Jahr 2023/24 wird er mit einem viermonatigen Stipendium des Goethe-Instituts in Montréal sowie einem dreimonatigen Stipendium der Bundesregierung am Deutschen Studienzentrum Venedig verbringen.

 

Seine Musik wurde gespielt in Europa, Israel, Nordamerika, China und Japan u.a. bei Festivals wie dem ECLAT-Festival, den Donaueschinger Musiktagen, Gaudeamus Muziekweek, Warschauer Herbst, Acht Brücken Köln, Festival de Royaumont, Nuova Consonanza Rom oder der Shanghai New Music Week, aufgeführt von Ensembles wie dem Klangforum Wien, WDR Sinfonieorchester, den Ensembles Recherche, Ascolta, Aventure, BRuCH, Slagwerk Den Haag oder Meitar Tel Aviv, und erklang an Spielorten wie dem Konzerthaus Berlin, Centre Pompidou Paris, Palau de la Musica Catalana Barcelona oder Carnegie Hall New York.

 

Seine im Herbst 2021 bei WERGO erschienene Portrait-CD ain’t nuthin‘ but fairy dust wurde Anfang 2022 die Longlist des Preises der deutschen Schallplattenkritik aufgenommen. Hinzu kommen zahlreiche Rundfunksendungen im Deutschlandfunk, Deutschlandfunk Kultur, Deutschlandradio Kultur, HR 2, SWR 2 und WDR 3.



Practices of Subordination

Parts 18 / 17: Death / Crisis: Minsk 11. April 2011

(UA der neuen und 4 kanaligen Versionen) (10´44“)

 

Anfang 2021 entstehen 18 elektroakustische Stücke nach Vorgaben eines künstlerischen Archivs: „Practices of Subordination“ des im Exil in Polen lebenden belarussischen Künstlers Sergey Shabohin. Das Archiv dokumentiert verarbeitete Dokumenten und Objekte der „Praktiken der Unterwerfung“, wie sie nach Shabohins eigenem Erleben der belarussische Staat an seinen Bürger:innen vornimmt. 

Die Schlussteile (in dieser Version in umgekehrter Reihenfolge und neu verbunden) bringen die Nummer 18 Death/Tod und 17: Crisis, die sich auf die Bombenattentate auf die Minsker Metro im April 2011 beziehen. Shabohin hat die Folgen dieses Attentats unmittelbar selbst erlebt. Stück 18 verarbeitet dazu meine erste LP mit Schuberts „Unvollendeter“ und dessen für mich lange Zeit unhörbaren ContraBässe des Anfangs, Stück 17 verwendet originale Tonaufnahmen aus der Minsker Metro vom 11. April 2011, sowie Fernseh und Radioberichte. Die Stücke entstanden Anfang 2021 in kürzester Zeit: täglich ein Stück. Politischer Druck als Produktionsdruck verarbeitet. 

Je nach Situation (will ich nicht doch lieber kontemplativ enden?), könnte die Reihenfolge der beiden Stücke auch umgekehrt sein.

 

Christoph Ogiermann, geboren 1967. Beginnt 1990 auf Anregung von Erwin Koch-Raphael zu komponieren, schreibt seither Musik. Tätigkeit als Rezitator, Sänger, Geiger und Tastenspieler in den Bereichen Freie Improvisation / Konzeptimprovisation und europäische Kunstmusiken. Komponist. Kurator.

Abschluß des Kompositionsstudiums an der Hochschule für Künste Bremen bei Younghi Pagh-Paan. Weitere wichtige musikalische und philosophische Studien bei Georges Nicolas Wolff und Nicolas Schalz.

Aufenthalte u.a. im Archivio Luigi Nono/Venedig, Schloss Solitude, Stuttgart und in der Cité des Artes, Paris. Gastdozent für Komposition und Improvisation u.a. in Pitea/Schweden, Graz, Freiburg i. Br., Hildesheim, Edinburgh, Queretaro,/Mexico und Luzern.

Kunstpreis der Akademie der Künste Berlin (Musik), diverse Stipendien (u.a. Musikfonds, Akademie der Künste, Fonds DaKü)

Mitbegründer des MusikAktionsEnsembles KLANK (www.klank.cc)

Mitglied im Künstler*innenKollektiv TONTO (Graz)

Mitglied und Künstlerischer Leiter der projektgruppe neue musik bremen. (www.pgnm.de)

Gründer und Künstlerischer Leiter der Bremer pgnm-Reihe REM für elektronische Musik

Organisatorische und künstlerische Leitung (gemeinsam mit Sarah Maria Sun) des Meisterkurses,„Stimme (Plus)“ und des John-Cage-Interpretation-Awards der John-Cage-Orgelstiftung, Halberstadt.

lebt in Bremen

www.soundcloud.com/ogiermann



„Vermona in my life“ – fixed media

Wie der Name schon andeutet, besteht der Synthesizer Vermona PERfourMER aus vier vollwertigen monophonen Analogsynthesizern (Synthesizerkanälen) und ist damit für eine 4-Kanal-Komposition prädestiniert.

Die Komposition besteht aus mehreren quadrophonen, hoquetus-artigen Klangschichten, die alle durch denselben analogen Sequenzer angesteuert werden, dabei aber jeweils in neuem Tempo und neuer Permutation erscheinen.

Die einzelnen Schichten entstanden als improvisierter Kontrapunkt zur jeweils vorhergehenden Schicht. Im Anschluss wurden die Spuren auf musikalischer Ebene nur noch durch Anpassungen der Lautstärken manipuliert und im Raum verteilt.

Oxana Omelchuk (geboren in Belarus) studierte bei Johannes Fritsch und Michael Beil an der Hochschule für Musik und Tanz Köln. Neben ihrer kompositorischen Tätigkeiten tritt sie als Musikerin in verschiedenen Formationen auf, wobei sich ihre Bandbreite als ausübende Musikerin in ihren Werken widerspiegelt. In ihrem Zugriff auf vorhandenes Material unterscheidet die Komponistin nicht zwischen U und E oder High and Low. In ihren Kompositionen möchte sie nicht primär Neues erschaffen, sondern vielmehr Vorhandenes, Wiedergefundenes ins Heute transformieren.

Seit einigen Jahren beschäftigt sie sich auch in ihrem kompositorischen Schaffen intensiv mit modularen Synthesizern, was für sie bedeutet, Werke aus experimentellen Versuchsanordnungen und improvisatorischen Prozessen heraus zu entwickeln.

Seit 2020 ist Oxana Omelchuk der Teil des Kollektivs Polar Publik, einer Gemeinschaft von Künstler:innen aus den Genres Tanz, Theater, Neue Musik und Bildende Kunst, die sich in ihren transdisziplinären Projekten an der Schnittstelle von Kunst und Wissenschaft aktuellen Situationen widmen, in denen die Phänomene Macht und Ohnmacht explizit werden.



T Weird

 

Akusmatik / fixed media 

Entstehungsjahr: 2023

Tonart: Eb7

Takt: 5/4

Geschwindigkeit: 145 bpm

Länge: 10:17

Kanäle: 4 (2 Stereokanäle, original 16 Kanäle (8 Stereokanäle))

 

Seit Jahren wird die Menschheit zunehmend mit Flüchtenden auf dem Seeweg konfrontiert. Es bestehen keine echten Lösungsansätze für einen menschenwürdigen Umgang mit diesem Problem. Die Betroffenen sind existentieller Angst ausgesetzt, oft auch dem eigenen Tod oder dem anderer.

 

T Weird versucht, Maschinengeräusche, Wasser und Wind musikalisch zu interpretieren, dabei entfaltet es eine bedrohliche Textur. Das Stück verfolgt nicht das Ziel, eine Entsprechung der Geräuschkulisse einer solchen Situation auf einem Boot zu sein. Es soll aber den Zuhörer in eine unangenehme Anspannung versetzen.

Ulf Pleines genoss in seiner Kindheit ab seinem fünften Lebensjahr musikalische Früherziehung, Klavier- und Klarinettenunterricht. Seit den 1980er Jahren beschäftigt er sich mit Synthesizern und Klangexperimenten wie einem präparierten Klavier. Nach einem Architekturstudium begann er Ende der 1990er Jahre mit Field Recording und Klanginstallationen in Japan, wo er konzeptionelles Entwerfen unterrichtete. Später studierte er im Rahmen des Aufbaustudiums ‚MediaArchitecture‘ Elektroakustische Musik am Studio für elektroakustische Musik Weimar (SeaM) der Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar bei Prof. Robin Minard. Pleines‘ Arbeiten sind primär in den Bereichen Akusmatik sowie Fixed Media verortet und Auftritte sind geprägt durch Live-Interpretationen. Er lebt und arbeitet in Weimar und ist Mitglied der DEGEM.

Ebenschwung (2023)

für Vierkanaltonband (UA)

 

Im Klangmaterial von „Ebenschwung“ fächern sich verschiedene Erscheinungsformen eines der grundlegendsten Syntheseverfahren auf: Die Additive Synthese kommt dem streng verstandenen Wortsinn des „Zusammensetzens“ sehr nahe und besetzt mit der Orgel als konzeptueller Kronzeugin ein wohl erschlossenes Terrain. Die Arbeit an diesem Stück gab mir die Gelegenheit, mich in der gebührenden Ausführlichkeit dieser so rudimentären wie faszinierenden Idee in (zumindest für mich) etwas entlegenere Ecken dieses Terrains vorzuarbeiten. Harmonische Spektren oszillieren zwischen stabiler Klarheit und Zuständen transformierter Unschärfe, treten gebündelt in Tongemischen auf oder werden aufgespalten durch Schwebungen, Modulation, Verzögerung, Granulation und Rotation.




Florian Zwißler lebt und arbeitet als Komponist, Musiker und Musikwissenschaftler in Köln. Er absolvierte Studiengänge in Musikwissenschaft, Linguistik und Philosophie an den Universitäten Tübingen und Köln sowie in Elektronischer Komposition an der Essener Folkwang-Hochschule. Seine Bühnentätigkeit als Synthesizer-Interpret, solistisch wie innerhalb verschiedenster Ensembleformationen, führte in den letzten Jahren ins inner- wie außereuropäische Ausland. Dabei hat er sich in Kontexten fixierter wie freier Musik auf die Arbeit mit analogen Synthesizersystemen spezialisiert. Als Komponist liegt sein Fokus neben Werken für Mehrkanaltonband auf Instrumentalmusik an der Grenze zu elektronischen Klang- und Assoziationskontexten. Momentan realisiert er mit Unterstützung des Deutschen Musikrats ein CD-Projekt mit Werken für historische Studiosynthesizer. Neben seiner Lehrtätigkeit an verschiedenen Universitäten und Musikhochschulen beschäftigt er sich im Rahmen eines Forschungsprojektes an der Universität Osnabrück mit den Grundlagen und der Terminologie elektronischer Klänge. In diesem Rahmen besuchte er weltweit zahlreiche Studios für Elektronische Musik. Als Klangregisseur hat er zudem seit 2008 zahlreiche Konzerte in unterschiedlichsten Besetzungen, von Mehrkanaltonband bis hin zu Orchesterwerken, betreut.